7. April 2021

In der Osternacht fand zwar in diesem Jahr kein Osterfeuer statt, doch dafür wurde nach mehr als 50 Jahren das Ostersingen in Sielow wieder aufgenommen. Eine Beteiligte berichtet:

Die Idee dazu entsprang einem „Verhörer“ und dem sinngemäßen Dialog: „Redest du vom Ostersingen?“ „Nein, aber wollen wir das mal machen?“ im September des letzten Jahres. Unmittelbar danach begannen wir nach Interessenten im Bekanntenkreis und auf Facebook zu suchen. Anschließend passierte einige Wochen lang nichts, da nicht absehbar war, wie sich die Infektionslage entwickeln. Anfang Februar kam dann die Frage nach dem Ostersingen wieder auf und wir beschlossen, dass der Versuch gewagt werden soll. Zunächst mussten wir die Trachtenfrage klären. Welche Tracht ist die richtige? Welche Farbe müssen der Rock, die Schürze, das Halstuch und die Haube haben? Dazu haben wir auch den fachkundigen Rat in der Trachtenschneiderei Heinze eingeholt und ein Trachtenbuch gelesen. Anfang März haben wir dann mit den Interessentinnen besprochen, welche Trachtenteile noch benötigt werden. Bestand zu Anfang noch die Befürchtung, dass nicht alle in der richtigen Tracht gehen könnten, stellte sich doch nach und nach heraus, dass im Familien- oder Bekanntenkreis doch noch das ein oder andere Schätzchen einen Dornröschenschlaf auf Dachböden oder in Schränken hielt. Schlussendlich wurde nur eine einzige weiße Haube und ein weißes Halstuch aus dem Dissener Museum benötigt. Wir bedanken uns dafür, dass das Ausleihen so unkompliziert möglich war.

Neben der Trachten- musste auch noch die Liederfrage geklärt werden. Wir einigten uns auf zwei wendische Lieder, von denen eines ursprünglich aus Sielow stammt, und drei deutsche. Dazu kam ein kurzer Kanon, der kurzerhand auch noch übersetzt wurde, um ihn in beiden Sprachen singen zu können. Für zwei Teilnehmerinnen wurde der Text zusätzlich in Lautschrift notiert, da sie des Wendischen (noch) nicht mächtig sind.

Als dann am Ostersonntagmorgen um halb fünf der Wecker klingelte, war das Aufstehen vor lauter Vorfreude fast unproblematisch. Das Durchführen eines Coronaselbsttests gehörte für alle Beteiligten selbstverständlich dazu. Für ein Frühstück blieb uns kaum Zeit, schließlich musste die Tracht sorgfältig angelegt werden. Zum Glück ist das aber nicht so umständlich und langwierig wie bei der Festtagstracht, da bedeutend weniger Nadeln zum Einsatz kommen. Wer sich Halstuch und Schürze nicht allein anlegen konnte, half sich gegenseitig oder weckte die Oma. Pünktlich um halb sechs waren alle acht Sängerinnen (sechs Sielowerinnen mit Unterstützung durch Pfarrerin Katharina Köhler und eine Freundin aus Kolkwitz) an der Kirche versammelt. Dazu kamen drei „Follower“, die die Berichterstattung, Dokumentation oder Verpflegung mit heißen Getränken übernahmen. Auch ihnen möchten wir an dieser Stelle herzlich danken. An der Kirche sangen wir die ersten Lieder und liefen dann in der vorher abgestimmten Formation mit ausreichend Abstand zueinander los.

Die Route führte von der Kirche entlang der Sielower Chaussee, über Am Ring, den Skadower Weg, die Cottbuser Straße, die Mittel- und Schulstraße zur Kirche zurück. Unsere Haltepunkte hatten wir uns vorher schon überlegt, zwischendurch sangen wir aber auch im Gehen immer mal wieder ein Lied. War es am Anfang noch stockdunkel, wurde es zügig hell, doch die Temperaturen sanken von Anfangs minus drei Grad noch etwas weiter, so dass zum Ende unsere Finger und Füße sehr klamm waren. Mit dem Sonnenstand stieg jedoch die Anzahl der sichtbaren Zuhörer, die an den Fenstern standen. Uns wurde aber auch zugetragen, dass uns vom Bett aus zugehört worden ist. Pünktlich um sieben Uhr waren wir wieder an der Kirche, um dort dem Posaunenchor zuzuhören.

Uns allen hat das Ostersingen sehr gut gefallen. Zu keinem Zeitpunkt musste die Frage gestellt werden, OB wir das im nächsten Jahr wieder machen wollen, da unterwegs schon Gespräche geführt worden sind, WIE wir die Umsetzung beim nächsten Mal verbessern wollen. Da wir alle sehr trachtenbegeistert sind, überlegen wir schon, wann wir das nächste Mal wieder die Tracht tragen können. Wir möchten an dieser Stelle noch dazu aufrufen, dass sich alle, die nicht mehr benötigte Trachtenteile haben (insbesondere grüne Kirchgangsröcke, schwarze Schürzen, weiße oder schwarze Halstücher, weiße oder schwarze Hauben bzw. Haubenstoffe und Polkajacken), bei uns melden (simone_haeberle@gmx.de), weil wir schon von weiteren Frauen gehört haben, die sich uns im nächsten Jahr anschließen wollen.

Wir sind uns sehr sicher, dass die Tradition des Ostersingens in Sielow nachhaltig wiederbelebt werden kann. Wenn wir irgendwann zurück blicken, werden wir uns vielleicht wundern: „wisst ihr noch, wie wir angefangen haben? Mit wenig Möglichkeiten zum gemeinsamen Üben, kurzer Vorbereitungszeit, mit Abstand zueinander beim Singen und Laufen, mit einem Stäbchen, dass wir uns früh morgens erst einmal in die Nase stecken mussten…“ Aufgrund der Pandemie mussten so gut wie alle lieb gewonnenen Traditionen ausgesetzt werden. Doch diese sind nicht verloren, sie kommen ganz sicher wieder. Das Ostersingen in Sielow wiederzubeleben, war eine verrückte Idee in einer verrückten Zeit. Doch unsere Erfahrung zeigt, dass es trotz Corona möglich ist, etwas neues auf die Beine zu stellen bzw. etwas altes wieder zu beleben. Wir hoffen, dass wir nicht nur uns, sondern auch dem ein oder anderen Zuhörer eine Freude machen konnten und dass wir ein österliches Zeichen der Hoffnung auf das Leben nach Corona ausgesendet haben.