6. Juni 2019

Im Gespräch mit dem Sielower Liedermacher „Folkskammer“

„Folkskammer“ –  ein ungewöhnlicher Name! Wie kommt man darauf?

Nun, ja – er ist eigentlich entlehnt. In den achtziger Jahren gab es eine Folkgruppe in Cottbus, die sich „Folkskammer“ nannte. Sie haben diesen Namen abgelegt und nannten sich nunmehr „Die Bartlosen“. Es war sozusagen „aufgegebenes Eigentum“ und die Internetadressen waren dazu noch frei. Irgendwie passt der Name auch zu mir, denn ich habe ja zunächst jahrelang nur in meiner „Kemenate“ gespielt.

Wie bist Du zur Musik gekommen?

Vor über vierzig Jahren habe ich am Konservatorium Cottbus bei Herrn Kammermusiker Berbig die Grundlagen des Flötenspiels erlernt. Alles andere erfolgte dann autodidaktisch. Zur eigenen Musik bin ich eigentlich über die Folkmusik (nicht zu verwechseln mit volkstümlicher Musik) gekommen. Das auch erst richtig vor cirka fünfzehn Jahren. Ich durfte mehrere Jahre lang in Potsdam in der „irish traditional session“ mitspielen. Zunächst nur im Rhythmus mit der Bodhran, der irischen Rahmentrommel. Dann konnte ich auch bereits eigene, in deutscher Sprache nachgedichtete, irische Balladen mit meiner Gitarre einbringen.

Von irischer Musik zu niedersorbisch-wendischen Geschichtenliedern, wie geht das zusammen?

Eigentlich sehr einfach, denn es gibt viele Gemeinsamkeiten. Irland ist ein zweisprachiges Land, wie die Lausitz. Dort wird neben englisch alltäglich auch gälisch gesprochen. Der Haupterwerb liegt in der Landwirtschaft. Die Menschen sind wie die Lausitzer nicht aufdringlich. Die Kelten hatten vor der Christianisierung ebenfalls eigene Gottheiten, die weiter im Bewusstsein der Iren verankert sind. Ihre Legenden und Sagen leben dort in den Geschichten der „story teller“ in den Pub´s weiter. Durch Musiker werden sie in schöne, oftmals auch melancholische Melodien gekleidet. Und ich habe mich gefragt, warum soll das bei uns denn nicht auch so stattfinden können? Genug Geschichten gibt es ja über unseren Spreewald zu berichten.

Wo findest du die Inspirationen zu Deinen Liedern?

Vor allem durch Neugier. Wenn ich zum Beispiel das Wappen der Adelsfamilie Lynar am Lübbenauer Schloß sehe, frage ich mich, wie die gekrönten Schlangen in das Schild kommen. Und warum sind diese auch an den Windbrettern der typischen Spreewaldhäuser zu sehen? Das daraus dann ein Bittgesang an den Schlangenkönig – den „wuzowy kral“ – wird, ist die Folge. Oder, warum wurde der Ortsname Hochoza (übersetzt: Weg, um ein zu rodendes Waldstück) im siebzehnten Jahrhundert in Drachhausen gewandelt? Inwieweit der kleine sorbische Hausdrache Plon daran beteiligt sein könnte, mündet in dem Lied „Der Plon nimmt Abschied“. Das dazu gründliche Recherchen notwendig sind, liegt auf der Hand. Denn anders als in Märchen, die da meist beginnen:„…es war einmal…vor langer Zeit…in einem fernen Land…eine Königstochter“, ist eine Sage – in Bezug auf Örtlichkeiten und Namen – schon recht konkret. Je älter dabei die Quellen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, diesen konkreten Bezug herstellen zu können. Eine große Hilfe ist mir dabei Wilibald von Schulenburg.

Wer  ist  Wilibald von Schulenburg?

Das war ein Berliner Landschaftsmaler und Volkskundler, der von Ende des neunzehnten Jahrhunderts für drei Jahre beim Kleinbauerm Badarak in Burg (Spreewald) gelebt hat. Er zeichnete Häuser und Kleidung der einheimischen Bevölkerung, erlernte die niedersorbische Sprache und sammelte Sagen und Bräuche. Diese veröffentlichte er 1880 in seinem Buch „Wendische Volkssagen und Gebräuche aus dem Spreewald“. Er war ein Freund Rudolf Virchows und gemeinsam betrieben sie an mehreren Stellen im Spreewald Ausgrabungen zur Vorgeschichte. So auch am Schlossberg bei Burg. In seinen Werken sind auch Bräuche zu finden, die über Sagen hinausgehen und fast schon in Vergessenheit geraten sind. So z.B. der frivole Brauch, als junges Mädchen singend und nackt über das Leinenfeld zu laufen, damit der Flachs ordentlich wächst. Das entstandene

 

Lied heißt dann bei mir: „Flachs – wachs´ und blühe“. Aber auch gehörte Geschichten werden aufgenommen. Zur Zeit bin ich an der Erarbeitung eines Liedes zur Sagenfigur des „Bubak“. Das ist der Aufhocker oder Schwerenöter, welcher Wanderer oder Bauern befällt und ihnen so manche Schwierigkeiten bereitet. Die Geschichte ist von meiner Mutter überliefert.

Wieviel Sorbe steckt in Dir?

Mütterlicherseits bin ich zwar Nachkomme einer Großbauernfamilie aus Müschen bei Burg. Einer ursorbischen Familie also, die seit 1649 urkundlich belegt ist und deren Gründer vermutlich ursprünglich aus Bautzen hierher kam. Jedoch war niedersorbisch leider nie meine Muttersprache. Ich bin dennoch bemüht, immer wieder niedersorbische Begriffe in meine Texte einzubauen. Bei meinen Auftritten trage ich in der Regel ein blau-weiß gestreiftes Hemd mit roten Hosenträgern, also die sorbischen Nationalfarben.

Ansonsten schreibst und singst du aber in deutscher Sprache?

Ja – ich glaube, dass damit die Inhalte der Lieder, und darauf liegt mein Schwerpunkt, für die meisten Lausitzer und ihre Gäste verständlicher sind. Es sind eben Lieder zum Zuhören.

Das Interview führte Nadja Weinhold


Foto: Rüdiger Schiesko

Informationen: www.folkskammer.de youtube-channel: Folkskammer

Kontakt: folkskammer@t-online.de